Brief aus Manica -Teil I ] [ Brief aus Manica -Teil II ]
 
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Hallo liebe Family,


und wieder ein bissel mehr (gedankensprünglich) Berichtetes aus der Desportivo—Stadt Manica ;o) Es war eine turbulente letzte Woche. Sonntag, den 16.09., 17.23 Uhr wurde es laut vor dem Haus in der Straße des 25. September. Unsere B-Team-Spielerchen waren gerade vom Spielfeld heimgekehrt (und hatten 6:1 gewonnen) als die Nachricht durch’s Telefon eilte: Desportivo de Manica ist Meister! Was war passiert? Unser „Erzfeind“, die Vumbalöwen, hatten nicht, wie erwartet, gewonnen, sondern nur ein Unentschieden erreicht. Das 1:0 für die „Löwen“ fiel in der 5. Minute, der Ausgleich kam zwei Minuten vor Spielende. Ihr könnt Euch die Tragik sicherlich vorstellen.

Und die Begeisterung auf unserer Seite. Sonntagabend und Montag war keiner der A-Team-Spielerchen zu Hause anzutreffen, sie zogen feiernd von Wohngebietskneipe zu Wohngebietskneipe (Wohngebietskneipen sind wichtiger Kulturbestandteil. Ohne diese wäre das „Wohngebiet“ nicht komplett. In Wohngebieten steht normalerweise ein Haus am anderen, mit winzig kleinem Garten (zwei oder drei Beete mit verschiedenem Blattgemüse – Covo, Rape und/oder Tsunga) vor oder hinter dem Haus. Und zwischen zwei Wohnhäusern findet man eine Kneipe, die meistens aus einem kleinen Raum (kleinergleich unser/em Eßzimmer) besteht, im Manicafalle mit microsoftblauer oder pinker Farbe an der Wand und mit einem Thresen und einem Regal an der Wand dahinter, welches meistens die beiden einzig erhältlichen Biersorten („Manica“  Brauerei ist in Beira ;o) und „2M – MacMahony“  gesprochen Doisch-M), Tetrapackwein und Gin sowie Kekse oder chipähnliches Knabberzeug beinhaltet. Musik kommt aus dem Radio und wenn immer ein gerade angesagtes Lied gespielt wird, sieht man die Leute die Hüften schwingen, was im Idealfalle dazu führt, dass sich weitere Kneipengäste einfinden. Wohngebietskneipen haben immer dann geöffnet, wenn sich ein Durstiger findet, der an die Tür klopft :o))

Dienstagabend dann war plötzlich Schluß mit lustig, denn von einem Moment zum anderen, sah man Vumba-Spieler und –anhänger feiernd durch die Straßen ziehen. Wieso das? Die Vumba-Löwen legten beim Provinzialen Fussballverband Protest gegen den Ausgang ihres letzten Spieles ein, weil ihr Gegner, Mobil de Inchope, einen rotgesperrten Spieler eingesetzt hatte. Die Verhandlung des Protestes steht noch aus. Vumba-Spieler und deren Anhänger allerdings feierten „ihren“ Sieg der Liga, was bei Desportivo-Spielern, -offiziellen und –anhängern zu großer Aufregung führte. Keiner war mehr sicher, was denn nun der offizielle Endstand ist, bis Schalk am Donnerstag (20.09.) „Entwarnung“ gab. Er hatte mit dem Verbandschef gesprochen und dieser meinte, unser Team ist Campeão. Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit dem moçambicanischen Fußball bin ich nun allerdings vorsichtig mit solcherlei Äußerungen, denn dass wir zweite Liga spielen, glaube ich erst, wenn das erste Spiel der neuen Saison angepfiffen wird und ich einen Gegner aus der zweiten Liga auf dem Rasen tanzen sehe.


Es ist nun wirklich Frühling in Manica. Die letzten drei Tage (und Nächte) hatten wir 35º Celsius und duschen macht eigentlich gar keinen Sinn mehr, denn fünf Minuten nachdem man das Bad verlassen hat, ist man genauso verschwitzt wie vorher. Hat es mich im Winter einige Überwindung gekostet, mich unter die kalte Dusche zu stellen, macht es mir nun überhaupt nichts mehr aus, kein fließend warmes Wasser zu haben.


Und wieder versuche ich mir vorzustellen, wie es denn jetzt bei Euch auf der nördlichen Hälfte der Erde aussieht. Bei Euch werden die Bäume bunt, bei uns werden sie grün. Der kleine Mango und der riesiggroße Litschibaum (so groß wie unsere Kastanie im Hinterhof der Georgstraße) in unserem Hinterhof haben bereits alle Blüten in Fruchtansätze verwandelt und wenn ich Glück habe, kann ich sogar noch ein paar Litschis ernten, bevor ich mich auf den Heimweg mache. Hmm, Heimweg. Klingt gar nicht mehr so weit weg. Sind eigentlich nur noch 10 Wochen :o) Bei diesem Gedanken werde ich immer aufgeregter. Obwohl, den Begriff „zu Hause“ auf einen Ort festzulegen, fällt mir momentan schon ziemlich schwer. Zu Hause ist und bleibt auf jeden Fall und immer „Mama und Paps“ und woauchimmerihrgeradewohnt. Und wenn ich jemandem von Euch erzähle, dann meine ich und ist es genau das: „mein zu Hause“.

Unsere kleine Hütte in den Vumba Mountains in Zimbabwe ist „zu Hause“. Und Manica, Rua de 25 Setembro (Strasse des 25. Spetmeber), ist irgendwie auch mein „zu Hause“. Wieso schreibe ich das? Als Susie vergangene Woche in Manica war, haben wir über’s „nach Hause kommen“ gesprochen. Für Susie gibt es nur ein „zu Hause“ – unsere Hütte auf dem Dach der Welt. Für sie ist es schon ziemlich schwierig im Moment. Während ich hier viele viele liebenswerte Menschen um mich herum habe, ist sie mit unseren Hühnern allein. Und während ich in Gedanken alles (Essen, Zeit, etc.) in Manica nur für mich plane (da Susie ja nicht hier ist), ist sie, wie sie mir sagte, in Gedanken immer zu zweit, immer darauf ausgerichtet, dass ich „nach Hause“ zurückkomme. Für mich wird es jedoch von Tag zu Tag schwieriger, mir vorzustellen, dass ich Manica verlassen muss, denn mit jedem Tag gerate ich tiefer ins Projekt, übernehme Verantwortlichkeiten, die ich nicht von einem Tag zum nächsten aufgeben kann. Zum Beispiel „meinen“ Deutschkurs, den ich im Moment vorbereite. Oder das Handballprojekt, das wir gerade starten. Auf der anderen Seite vermisse ich aber auch mein Zimbabwe-zu Hause, Susie und die Wachhühner. Wachhühner? Ja, richtig gelesen: vor allem die Truthühner machen ein Heidenspektakel, wenn jemand kommt und sie hören, laut Susie erst wieder auf, Lärm zu machen, wenn der– oder diejenige wieder geht.


Mussa ist gerade dabei, meine Schreiberei zu stören. Mussa hat nix zu tun heute, denn draußen regnet es und keiner seiner Studenten kam zum Computerkurs und nun hat er Langeweile.

(Das Einstellen der grossen Schrift war ebenfalls Mussa.) NÃO COMPRENDO MY CATARAIA. (Mussa: Ich verstehe meine „Cataraia“* nicht.)

*“Cataraia” wird dem weiblichen Geschlecht hinterhergerufen. Ist sowas wie Hinterherpfeifen in Worten :o)


Habe begonnen, Mussa „Cataraio“ zu rufen, und er beschwert sich drüber.. (habe es noch nicht geschafft, eine eindeutige Übersetzung zu bekommen) Und dann erzählt mir Mussa gerade, ich wäre „muito maluku“ (total verrückt).

Normalerweise ist die Computerschule voll mit Schülern. Wir besitzen hier neun Computer für den Schüler- und einen Computer für den „Lehrer“gebrauch. Aber wenn es regnet, bleiben die Studenten fern. Und der Englischlehrer. Deshalb hatte ich heute Morgen gleich mal noch zwei Englischunterrichtseinheiten als „Teacher“.

(Mussa kann kein Deutsch und das ist sein Dilemma. Er sieht immer nur seinen Namen und möchte natürlich wissen, worüber ich schreibe. Ich sagte: Über ihn. ;o)

So, Mussa hat gerade gesagt, ich soll nicht über Mussa schreiben, sondern über kleine Tassen (copo pequeno). Klingt als hätten wir dieselben nicht mehr im Schrank ;o)

Seitdem ich in der Computerschule arbeite, hatte ich die Gelegenheit, Mussa näher kennenzulernen. Das erste Mal richtig wahrgenommen habe ich ihn, als er beim B-Team-Training nach einer Flanke von rechts, den Ball, den ich eigentlich haben wollte, ohne grössere Anstrengung wegköpfte. Kein Wunder, Mussa ist mindesten einen Kopf grösser als ich. Ich habe ihm daraufhin gesagt, dass ich zum nächsten Training einen Stuhl mitbringen werde, auf den ich zum Köpfen steigen kann. Seit diesem Zeitpunkt hauen wir uns die Taschen voll. Mussa ist mit seinen 21 Jahren schon um einiges reifer als seine einszweidreivierfünfjahreälteren A-Team-Arbeitskollegen. Muss er wohl auch sein, denn nachdem der vorherige Computerschulen-Teacher, Paulo (oder auch Waru – Waru) sich Mitte Juli für zwei Wochen in den Urlaub verabschiedete, aus dem er heute noch nicht zurück ist, hat Mussa die volle Verantwortung für alles, was in und rund um die Computerschule passiert.

Und wir profitieren voneinander, denn Mussa zeigt mir all die Tricks in Microsoft-Office, die ich noch nicht kannte, im Gegenzug erlöse ich ihn von der Aufgabe, mit seinem Zweifingerkreisensuchsystem eilige Ichmussinfünfminutenwiederlosdokumente zu schreiben (denn im Gegensatz zu ihm bin ich nun mittlerweile auch im Portugisieschschreiben „muito rápido“ – sehr schnell). Auch sprachemäßig erhält Mussa das Prädikat: Sehr wertvoll. Denn er sorgt dafür, dass ich portugisiesch spreche, indem er, wenn ich Englisch quatsche, einfach sagt: Não compreendo (Ich verstehe [dich] nicht). Gleichzeitig will er gern sein Englisch verbessern, so dass wir uns gegenseitig als Englisch- bzw. Portugisieschlehrer auf die Finger klopfen, wenn wir nicht genügend für unsere Sprachfortbildung tun. Mussa ist übrigens auch auf beiden Fussballteambildern zu sehen und neben Simão und Hard eines der wenigen erleb(b?)aren Beispiele für Ichübernehmedieverantwortungfürmeinlebenfussballspieler vom Desportivo-Club. Was die Sicht mancher Spieler auf ihr Leben und ihre Verantwortung für selbiges angeht, so hatte ich in den letzten Wochen einige überraschende Momente. Zum Beispiel bekam jeder A-Team-Spieler nach dem vorletzten Spiel der Saison eine Siegprämie über 500 Meticais (ca. 15 Euro). Mindestens die Hälfte der Spieler setzte das gesamte Geld innerhalb von anderthalb Tagen in Bier um, nur um sich einen Tag später darüber zu beschweren, dass sie kein Essen haben. Ich war erstmal sprachlos. Und danach sprachloser, denn als ich fragte, wieso sie ihr Geld nicht in Essen investiert haben, meinten sie: Das Geld war nicht für’s Essen gedacht. Es war eine Siegprämie, die in „Party“ umgesetzt werden „sollte“ (Zitat!!!). Dass „Siegprämie“ ein Bonus zu ihrem Gehalt bedeutet, von dem sie leben müssen, ging nicht in ihre Köpfe. Bis heute sind diese Spielerchen überzeugt, dass sie das Geld mit der Aufforderung erhielten, in die nächste Bar zu gehen und das Geld zu „versaufen“.

Zwei Spieler aus dem Club waren vor zwei Wochen auf Diebestour in „meinem“ Haus und haben das gesamte Essen (10kg Reis und 5 Kg Maismehl) mitgehen lassen, weil sie der Meinung waren, dass dieses kein Essen für uns (Nelson und mich) wäre, denn Reis und Maismehl waren von der billigen Sorte. Sie werden es auf die harte Tour lernen, denn wir haben beschlossen, neue Bestände auf Kosten ihrer Gehälter einzukaufen. Diese Jungs (von den Aktionen her erinnern sie mich wirklich mehr an pubertierende Jungs als an ausge- und erwachsene Männer) brauchen tatsächlich noch einen ganzen Haufen von erziehenden Lektionen. Aber ich kann mir nun immer mehr vorstellen, wie es für Schalk am Anfang des „Fussball-Projektes“ gewesen sein muss, und wie bereits beschrieben, sind wir schon ein ganzes Stück weiter in der Benimm- und „Lebens“schule.


Auch im „Handballprojekt“ geht es vorwärts. Letzten Samstag (22.09) habe ich den neuen Computerlehrer von unserem Teilprojekt in Machipanda getroffen. Er ist aus Zimbabwe, war mal Physiklehrer an der Bonda-Internatsschule in der Nähe von Nyanka, er heisst Wilson und er war ausserdem Handball-Coatch auf provinzieller Ebene in Manicaland in Zimbabwe. Wir sind ins Quatschen gekommen, nachdem ich das Wort Handball habe fallen lassen.

Ich bin nun am Planen eines „internationalen“ Turniers in Manica. International bedeutet: Mutare :o), denn Wilson meinte, er könne den Kontakt zum Mutare-Handball-Trainingszentrum (welches durch Leute aus den Niederlanden gesponsert und betreut wird) herstellen. Ich will versuchen, diese nach Manica einzuladen, vielleicht ergibt sich daraus ja eine Gelegenheit, ein mutareähnliches Projekt in Manica aufzubauen.

Die Leute vom städtischen „Sportbund“ waren gleich ganz begeistert und voller Pläne, wie, wann und mit wem gesprochen werden muss. Einer der offiziell grossen Leute ist Zevanias, erster oder zweiter Sekretär (bin nicht mehr sicher) in Sachen Sport in der Provinz Manica, welche für meine Begriffe ganz schön gross ist. Ich habe Senhor Zevanias Montag letzte Woche (muss der 17.09. gewesen sein) in einer Bar getroffen, in die ich mit meinem zukünftigen Ehemann Angelo und Pingy zum Feiern ihres Meisterschaftsieges gegangen war. Zevanias hatte mich bereits gesehen, als ich Linien für das im letzten Gedankensprüngebrief beschriebene Volleyballturnier auf den Hallenfussboden aufmalte. Er war so begeistert davon, dass er mich gleich in einem seiner nächsten Projekte verplant hat: Kinder- und Jugendsport. Mit der Einladung zur Mitarbeit habe ich gleich noch eine Einladung bekommen, seinen Arbeitsplatz und sein Zuhause zu besuchen, wo ich Videos von meinem „Marido“ (Ehemann) als 14jährigem Mannschaftskapitän in viel zu grossen Hosen ansehen kann :o)

Das alles stimmt mich sehr zuversichtlich, wenn es zu meinen eigenen Plänen (hinsichtlich eines grossen Turnieres) und deren Ausführung kommt, denn die ersten Kontakte sind bereits gemacht und die Stimmung ist positiv.


Inzwischen ist es Anfang Oktober. Vergangene Woche Donnerstag (04.10.) sollte eigentlich die große Party steigen, denn alle erwarteten die Meisterschafts“schüssel“ in der Stadt, nachdem in der Woche zuvor durch den Fussballverband offiziell bestätigt wurde, dass wir die Meister sind. Damit ging das Drama in die nächste Runde, denn die „Vumbalöwen“ legten nun Revision gegen diese Entscheidung ein und wanden sich an die nächsthöhere Stelle. Nun heißt es erneut abwarten und die nächste Party vorbereiten ;o)


Jede Woche bekomme ich mindestens eine Liebeserklärung. Die letzte kam vom Torhüter des Teams, dass uns die Meisterschaft sicherte (Mobil de Inchope) und der jetzt mit meinem Team, Despo B, trainiert. Muss mir immer Lachen, wenn diese Jungs ganz ernsthaft versichern: „I like/love you!“, denn neben „Good Morning“ and „Fine, thanks“ sind das die einzigen Wörter, die sie auf Englisch sagen können.


Noch knapp acht Wochen und ich werde wieder zu Hause aufschlagen. Ist schon ein komisches Gefühl. Und niemand in Manica fragt, ob, aber alle fragen, wann ich denn zurückkommen werde. Als ich im Juli zu Susie’s Geburtstag nach Zimbabwe ging, dachten viele, ich komme nicht zurück. Mittlerweile steht das wohl außer Frage :o)


Und zurück zum Handballturnier. Wie sich herausstellt, ist Wilson von der Spezies „bereits geförderter Afrikaner“. Was heißt das? Sobald Wörter wie „Projekt“ und „Sponsoring“ fallen, denkt der „bereits geförderte Afrikaner“, dass der weiße Mann, bzw. in meinem Falle die weiße Frau, in die Tasche greift und Unmengen von kleinen und großen Scheinen (ist egal, Hauptsache: viel!) – und in Wilson’s Falle außerdem Handbälle – herausholt, welche der zuerst Benannte umsetzen kann. Und im Gegensatz zur sonstigen Langsamkeit in allen Dingen, kann es diesbezüglich nicht schnell genug gehen. In Wilsons Falle, war es eine öffentliche Erklärung seinerseits, dass er eine Handballschule in Machipanda mit Sponsoring von Desportivo und einer Frau aus Deutschland eröffnet. Von Sponsoring war zwischen uns allerdings nur hinsichtlich seiner Kontaktmöglichkeit zum niederländisch geförderten Handballzentrum in Mutare die Rede. Ich hatte ihm mitgeteilt, dass der Handballsport in Manica kein Geld zur Verfügung hat, dass ich bei meinem „Heimatverein“ um Unterstützung angefragt habe und hoffe, ein paar Bälle zu bekommen. Für ihn hatte das wahrscheinlich geklungen wie: Übermorgen stelle ich ihm Bälle zur Verfügung und Desportivo übernimmt alle anderen finanziellen Deteils. Musste ihn erstmal wieder auf den Teppich holen. Interkulturelle Kommunikation ist schon ein hartes Brot. Manchmal ist es zum Verzweifeln und die Enttäuschung wächst. Auf beiden Seiten. Ja, nach wie vor renne ich auch in Manica mit der Schublade „Weiß = Geldvierundzwanzigstundenamtagsiebentageinderwocheverfügbar“ durch die Kante. Ich weiß nicht, ob ich jemals über meinen Ärger darüber hinwegkommen werde. Im Moment habe ich immer noch ganz schön zu kämpfen, dem Nachgeldfragenden nicht in den Allerwertesten zu treten (oder, wie ich gestern von Victor [neben Mussa der andere von zwei Computer-Teacher[n] lernte: Quero bater as suas bundas – ich möchte dir auf den Hintern hauen ;o) im Umgang mit Mussa ein sehr nützlicher Ausdruck).

Soweit ich mich entsinnen kann, hat mich mit Ausnahme von Simão, Hard und Mussa wohl schon jeder Fussballer von Desportivo nach „finanzieller Unterstützung“ gefragt, wenn am Monatsende mehr Monat als Geld übrig ist. Die Fragetechniken sind ganz unterschiedlich. Pingy zum Beispiel versucht es auf die charmante Weise. Er rennt die Tür nicht mit der Axt ein wie Pita, der immer sehr direkt nach Sachen fragt, die er haben möchte („Hast du Frühstück für mich?“ oder „Kaufst du heute nicht Telefonkredit? Ich brauche welchen.“) Pingy erzählt Geschichten, schöne und lange Geschichten, rund um die Frage nach Geld oder anderen materiellen Dingen. Bin inzwischen dazu übergegangen, ebenfalls Geschichten zu erzählen, schöne und lange Geschichten ;o), warum ich nicht in der Lage bin, materielle Bedürfnisse zu befriedigen.

Vergangene Woche (Ende September) habe ich mir die erste Fußballschramme geholt. Bin nämlich als Stürmer vor’s Tor gestürmt und wollte einen Ball ins Tor köpfen, doch der gegnerische Torhüter sah das nicht gern und hat mich über den Haufen gesprungen, indem er einen seiner Fussballschuhstollen in meinen linken Fuß spießte und mir mit seiner Schulter einen Schubs gab. Da ich mit meinem Fuß nicht wegkam, hat es mich gelegt, kam mir vor wie eines dieser Stehaufmännchen, dass ich früher mal hatte (allerdings habe ich beim Aufstehen nicht geklingelt :o)) Komischerweise bekam ich nach dieser Attacke mehr Zuspiele als vorher. Wahrscheinlich musste ich mich erstmal aufdenfussballplatzhinlegenderweise beweisen, bevor ich in das nächsthöhere Spiellevel einsteigen durfte.

Simões, unser Trainer, ist ein sehr philosophischer Mann (und deswegen wohl auch Philosophielehrer an der grössten „Secondary School“ in der Stadt) und gibt seine Hinweise zum Spielgeschehen sehr „dezent“. Letztes Training spielte das B-Team „ganzes Feld“, weil das A-Team nicht anwesend war. Ich war, wie immer, Stürmer. Und ich bin gestürmt. Zur Halbzeit lagen wir 3:0 zurück. Einer der Wasmüssenwirinderzweitenhalbzeitbessermachenkommentare von Simões bezog sich auf die Zuspiele meiner Teamkollegen. Simões meinte, ich wäre mittlerweile(!!) ein ganzes Stück schneller als die Zuspiele, die ich von meinen Mitspielern bekomme ;o) Ein sehr philosophischer Mensch – unser Trainer, den ich wirklich richtig mag.

Schalk war mal kurz – nur für zwei Tage – in Manica. Er war im September in London und hat zwei große Fussballclubs besucht: Tottenham and Chelsea. Von letzterem haben wir ein ganzes Set Spielkleidung fürs A-Team bekommen. Und möglicherweise werden Azubitrainer aus Großbritannien bald unsere Youngsters trainieren, denn die Azubis müssen drei Monate ins Ausland, um gelernte Theorie in die Praxis umzusetzen. Es ist ganz schön aufregend und ich bleibe gespannt wie das hier alles weitergehen wird... :o)


Die Fussballsaison ist vorbei, die Meisterschaften sind (fast alle) entschieden. (Um einen Desportivo-Anhänger aus der Fassung zu bringen, braucht man ihm nur zu sagen, dass Vumba’s Protest positiv für Vumba entschieden wurde und schon sieht man die Kinnlade nach unten fallen (Mussa treibt derweilen unsere Offiziellen auf die Palme, indem er, immer wenn jemand von den wichtigen Leuten in der Computerschule vorbeischaut, „Vumba oieeee“ ruft). Drei Wochen nach dem letzten Spiel der Saison warten wir immer noch auf eine eindeutige und entgültige Entscheidung des provinziellen Fussballverbandes, wer denn nun in Manica die Party ausrichten und die „Schüssel“ hochhalten darf).

Für’s B-Team gehts inzwischen munter weiter mit etwas, das ich Pokalspiele nennen würde. Vergangenes Wochenende spielten „meine Jungs“ auswärts, und gewannen. Dieses Wochenende (14.10.) nun spielen sie gegen eine starke Mannschaft aus Manica. Der Sieger aus dieser Partie wird als nächstes gegen eine Mannschaft aus Chimoio antreten und der Sieger daraus fährt, laut Mussa, nach Nhampani. Nun hoffe ich doch ganz sehr, dass mein Team alle Spiele gewinnen wird und ich einen Platz im Nachnhampanifahrenmannschaftsbus ergattern kann. Das gäbe mir die Möglichkeit, noch mal aus Manica rauszukommen und ein bissel was von Moçambique zu sehen, denn Nhampani gehört zu einer anderen Provinz..


Es ist der 13. Oktober. Der Himmel ist blau, die Sonne wirft die ersten Strahlen auf den Riesenlitschibaum im Hinterhof. Ein typischer Samstag in der Rua de 25 de Setembro, casa Nº 161. Zwei A-4-Blätter am Sicherungskasten neben der Eingangstür verkünden, wer an diesem Wochenende für’s Spiel aufgestellt ist. Sie sagen außerdem, dass der Treffpunkt 8.30 Uhr ist, in „da escola de inglês“. Hmm, denke ich, dann habe ich Zeit bis 9.00 Uhr, kann in aller Ruhe meinen Kaffee trinken und dann in den Tag starten. Der Wecker klingelte 7.30 Uhr und als ich die Zähne putze, kommen, Mussa und Nelson zur Tür rein. Sie haben ein Meeting mit Computerschülern aus Machipanda für 8.00 Uhr angesetzt. Und während die beiden zusammen mit Elias (Computerlehrer in Machipanda und B-Team-Spieler) also mit den Schülern über das Absolvieren des Computerkurses diskutieren, wird es draußen lauter.

8.20 Uhr, die Computerdiskussionsrunde ist vorbei. Die Schüler gehen und die Fussballer kommen. Drei Mannschaften (B-Team, C-Team weiblich und C-Team männlich) stehen vor und in der Tür – vor wie hinter dem Haus. Der Computerraum ist vielleicht einen Meter länger als eure Wohnstube, vollgestellt mit Tischen und Stühlen aus dem Englischunterrichtsraum, da wir gestern die Teppiche zum Reinigen rausgenommen haben. Man denkt gar nicht, wie viel Menschen außerdem noch reinpassen. Die Geräuschkulisse erinnert an eine Diskothek in der ersten Stunde nach Türöffnung, denn zu allem Geplapper kommt auch noch mehralshalblaut Musik aus dem Computer.

Das erste Spiel des Tages haben die „Girls“. Und weil ein Fotograf Bilder macht, dürfen sie heute in der Chelsea-Spielkleidung spielen. Als Nelson dieses verkündet, ist Party im Raum. Alle weiblichen Spieler kreischen, johlen, hopsen und tanzen. 16 Girls suchen einen Platz zum Umziehen und finden diesen in meinem Schlafzimmer auf zwei mal einem Meter Fläche. Nelson läuft durch den Flur, wirft einen Blick ins Zimmer, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und lotst alle in den Englischklassenraum. 16 glückliche Fussballmädels verlassen plappernd das Haus in Richtung Stadium und die männlichen Fussballer (jung [B-Team] und jünger [C-Team]) laufen hinterher. Es wird ruhig in der Nº 161, für ca. eine halbe Stunde.

Ich bin mittlerweile am Waschen. Über die letzten zwei Wochen haben alle A-Team-Spieler ihre Sporttaschen mit - mehr oder weniger - allem was reingehört (Trainingsanzug, Spielkleidung, Schuhe, T-Shirts, Fussballschuhe etc.) zurückgebracht. Und mehr oder weniger sauber. Also alles in die Waschmaschine.

Inzwischen sind die Mädels vom Fussball zurück, haben 1:0 verloren und sind etwas niedergeschlagen. Eine halbe Stunde wird im Hinterhof analysiert, woran es denn gelegen hat, bevor sie dann die Chelseakleidung an die männliche C-Mannschaft abgeben müssen, da diese ebenfalls zum Fototermin antreten. Doch bevor die Jungs zum Spiel auflaufen, gibt es für jeden noch zwei Brötchen zur Stärkung. Chico, Stürmer im A-Team (Torschützenkönig in der Liga) und Trainer der beiden C-Teams, ist am Wirbeln, dass seine Jungs und Mädels Marmelade auf’s Brot kriegen. Fünfmal werde ich darauf hingewiesen, dass Brötchen ohne was drauf doch nicht wirklich ernsthaft als „Lunch“ herhalten können. Fünfmal erkläre ich, dass ich nicht verantwortlich bin für’s Essen.

Derweil fährt vor dem Haus ein Kleinbus vor. Der Fahrer ist der Präsident des Desportivo-Clubs, von allen „Meque“ gerufen (der Nachname wird in Moçambique oftmals zum Rufnamen). Er sammelt alle B-Team-Spieler ein, um sie in Penhalonga (20 km von Manica) unter einem Baum für den Nachmittag auszusetzen. Das Auto wird beladen mit Spielern, Kochtöpfen, Geschirr, Reis und Wasser. Und während ich Chico die Chelsea—Klamotten vorzähle, für die er damit die Verantwortung übernimmt, fragt mich Nelito nach seinen Schienbeinschonern, Nelson nach der weissen A-Team-Spielerkleidung und Cherife nach einem Ball. Uff...

Das B-Team ist aus dem Haus, die Mädels sind ebenfalls dabei zu gehen und die C-Jungs machen sich fertig für’s Spiel.

Inzwischen habe ich ein Set Spielkleidung komplett gewaschen und ein weiteres in die Maschine gestopft. Der Nachmittag besteht aus zwei Stunden spielerfreiem Haus, welche ich dazu nutze, die Küche wieder auf Vordermann zu bringen und Spielertrikotlöcher zuzunähen.

Es ist 16.30 Uhr. Die C-Jungs kommen vom Feld zurück – und haben verloren. Scheint, als ob uns die Chelsea-Shirts kein Glück bringen. Die Stimmung ist gedrückt. Es war Chicos erster Spieltag als Trainer. Nelson ist der Motivator, analysiert das Spiel und richtet alle wieder auf. Naja, Chico braucht etwas länger.

Es geht auf 18.00 Uhr zu, ich nähe gerade am letzten Hemd rum, als das B-Team wieder einrückt. Sie sind in ausgelassener Stimmung und wenn ich Nelito richtig verstanden habe (sein Englisch ist so gut wie mein Portugiesisch), war es ein Nachmittag mit Singen und Tanzen unter’m Aussetzbaum. Das Haus ist mit einem Schlag wieder sehr lebendig.

Samstagabend, 19.00 Uhr. Die letzte Maschine für heute. Chelseaspielerkleidungsocken. Die Spielerkleidung muss bis morgen warten, denn sie würde bis zum nächsten Gebrauchttermin (Sonntagfrüh, 6.00 Uhr) nicht trocken werden. Die Minis werden also für ihr Spiel in die bereits zweimal benutzten Chelsea-Shirts steigen.

22.30 Uhr. Abendbrot. Fünf B-Team-Spieler haben gekocht. Die Küche ist wie gewöhnlich ein Schlachtfeld und es braucht normalerweise eine Stunde schruppen, ehe sie wieder begehbar ist.

Als ich aus der Küche komme, sitzen nur noch sechs Spieler vorm Computerbildschirm und schauen ihren Lieblingsfilm – eine Rede von Samora Machel (1. Präsident der República de Moçambique). Die anderen haben sich inzwischen im Englischunterrichtsraum zur Ruhe gebettet (Querschnitt von der Seite: Fussboden, Teppich, Decke, Spieler, Decke. Zwei Spieler zwischen zwei Decken)

Sonntag. 0.23 Uhr. Die letzten zwei Spieler verschwinden zum Schlafen, Nelson besetzt das Bad und Wenki den Platz vor’m Computer. Ein typischer Samstag in der Rua de 25 de Setembro, casa (Haus) Nº 161. :o)


Schätzt mal, wie viele Menschen in einen geschlossenen Pickup (Automarke IZUSU) passen...


Habe gestern (12.10.) meine Rastazöppfe rausgemacht. Keiner der Spieler hat mich jemals ohne gesehen, denn die ersten Zöpfe hatte ich seit Anfang Juni, vier Wochen, bevor ich nach Moçambique ging. Die Kommentare sind eindeutig: „Estás muito bonita.“ oder „Now (!!!) you are beautiful“. Denke darüber nach, erstmal „beautiful“ zu bleiben. Weiss allerdings noch nicht, wie lange ich die Wärme aushalte, denn meine Haare sind mittlerweile schon ganz schön lang. Mit den Zöpfen ist die Hitze erträglicher. Als ich Nelson sagte, dass ich entweder Rastas machen lassen oder meine Haare abschneiden muss, sah er mich an als wäre ich „muito maluku“. Er meinte, dass er bereits mitbekommen hat, dass ich etwas komisch wäre, doch das Haareabschneiden wäre schon mehr als verrückt.

Miquel, capitão des B-Teams, erzählte mir heute jedes Mal, wenn er mich sah, dass meine Haare „muito bonita“ wären. Alex rief ihm daraufhin zu, Miquel solle aufpassen, dass niemand Angelo (o meu marido – mein Ehemann) von seinen Kommentaren erzählt. :o)


Osvaldo, der Volleyballspieler, hat seinen Ausbildungzumapothekerplatztest bestanden und beginnt dieselbe an Görris Geburtstag nächste Woche. Einen Ausbildungsplatz in Moçambique zu bekommen ist wie ein Sechser im Lotto. So war ich also glücklich über die frohe Botschaft. Wie sich allerdings herausstellt, ist Osvaldo gar nicht so happy über seinen Lottosechser. Als ich nachfragte, bekam ich zur Antwort, dass er nur ungern Manica verlässt, weil er doch hier eine weisse Freundin hat. Hmmm... (denke ich und werde wieder einmal an Schalk erinnert, als er im August Manica verliess, denn seine damalig letzten Worte waren: Don’t make everyone fall in love with you!)

Osvaldo nun wollte mich, bevor er nach Chimoio gehen „muss“, noch zu sich nach Hause einladen, damit ich seine Familie kennenlerne und sehe, wo er wohnt. Da saß er nun und suchte nach den richtigen Worten, denn seine Mutter hat ein paar Bedenken bezüglich der Einladung, da niemand in seiner Familie weiss, was die „Branca“ (Weisse) ißt und so ist das alles ganz schön kompliziert, denn die Frage ist nun, ob sie (also ich) afrikanisches Essen akzeptiert. Doch die Antwort muss erst einmal auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, denn es gab in Osvaldos Familie die vergangenen Tage zwei Todesfälle.

Es ist immer wieder beklemmend. In der Zeit, die ich in Manica bin, haben drei Spieler Geschwister verloren, die zum Teil auch noch jünger waren. Der Klempner, der unsere Rohre von Verstopfung befreite (inklusive dieselben mit der Hacke ausbuddeln und wieder zuschütten), starb zwei Wochen später. Er war Anfang 40.


Heute ist der 26.09. Seit zwei Tagen ist es offiziell. Wir sind die Meister der Provinz. Nun warten wir nur noch auf die taça, die „Schüssel“. Die Vumbalöwen haben ihren Protest teuer bezahlt. Der Fussballverband hat nicht nur ihren Protest, sondern auch unseren bearbeitet (Einsetzen von nichtspielberechtigten Spielern). Dabei haben sie herausgefunden, dass die nichtspielberechtigten Spieler nicht nur nicht spielberechtigt waren, sondern dass diese auch noch gefälschte Personalausweise hatten und sich illegal in Moçambique aufhielten (sie sind aus Zimbabwe). Das Ergebnis ist nun, dass der Verein disqualifiziert wurde und die nächsten zwei Jahre „District“ (Kreisklasse) spielen muss.


Die Regensaison hat begonnen. Seit gestern regnet es. Durchgehend. Zum Vergleich: seit Anfang August hatten wir drei Regentage: einen Nieselregentag und zwei Tage mit drei vier Stunden Wasser von oben.

Bin glücklich, dass die Regenzeit dieses Jahr pünktlich beginnt, denn Susie ist seit 4 Wochen ohne Wasser. Wir können immer noch kein Wasser pumpen, da ein Teil der Machine, welche die Pumpe antreiben soll, nicht funktionierte. Wir haben es zur Reparatur geschafft und John (der „Allerreparierer“) sollte es abholen. Seitdem ist dieses Teil verschwunden.

Mit der Regensaison füllen sich auch unsere „Regentonnen“ wieder. :o)


Euer Paket ist leider immer noch nicht da. Als wir (Mussa und ich) nachfragten, sagte uns der Postangestellte, dass das alles seine Zeit braucht. Euer Paket geht erst nach Maputo und je nach Laune der dortigen Sortierer kann es schon mal eine Woche dauern, ehe es Maputo in Richtung Beira oder Chimoio verlässt, um von dort nach Manica zu kommen. Ich hoffe nun ganz sehr, dass ich Eure Pakete noch erhalte, bevor ich mich auf den Heimweg mache.


British Airways spielt inzwischen kleine, aber gemeine Spielchen mit seinen Fluggästen. Als ich meinen Flug im Internet umbuchen wollte, wurde ich aufgefordert, das BA-Büro in Harare anzurufen. Das habe ich getan, nur um mir von einer Tonbandstimme erzählen lassen zu müssen, dass ich meine Umbuchungen im Internet vornehmen muss. Hmmm...

Werde also zurück zum Internetcafé gehen und versuchen eine „Hilfe!!!“-Mail an British Airways in London oder Berlin zu schicken. Habe vorsichtshalber Mussa schon mal gefragt, ob ich sein Fahrrad nutzen kann, um nach Hause zu kommen.. ;o)


So, dass ist vielleicht doch noch nicht die lezte Mail...

 

 

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